Derrick Collector’s Box, Folge 1 – 15

Derrick Collector's Box 1-15Na bitte, es geht doch! Manchmal braucht es doch zwei Anläufe

34 Jahre nach der Erstausstrahlung von Folge 1 kommt – nach dem in 2004 zurecht gefloppten Versuch weniger DVD-Veröffentlichungen – eine akzeptable DVD Collectors-Box auf den Markt!

Die 5-DVD-Collectors-Box enthält die ersten 15 Folgen der Kultserie Derrick in chronologischer Reihenfolge. Das Verpackungsdesign kommt in einem Digipack und Pappschuber daher. Das Digipack kann zweimal aufgeklappt werden (2-Bruch-Wickelfalz) und enthält 2×2 DVD’s sowie 1×1 DVD pro Seite. Ein Booklet mit weiterführender Information ist nicht enthalten. Die Hintergrundgestaltung der transparenten Trays besteht aus 3 ganzseitigen Fotos, die aus verschiedenen Filmszenen entnommen wurden. Das Design ist ansprechend und schön. Die einzelnen DVD’s sind 5-farbig im Offset-Druckverfahren bedruckt. Dieses Druckverfahren liefert scharfe Fotos, auch hier gibt es entnommene Filmszenen der jeweiligen Folgen, gedruckt mit glatten, brillant wirkenden Oberflächen. Der Pappschuber ist mit dem Schriftzug Derrick auf der Vorderseite hochgeprägt.

Auf jeder DVD sind 3 Folgen enthalten. Das Menü ist schlicht, was aber nicht stört. Extras gibt es keine, was ja auch nicht verwundert. Vor 34 Jahren war es nicht üblich, Material für Bonuszwecke aufzubewahren.

Die FSK16-Freigabe lässt darauf schließen, dass die Folgen nicht ganz so harmlos waren, wie man im Allgemeinen vermutet. Die ersten Folgen im Derrick-Reihen-Konzept sind nach dem „Columbo-Stil“ geschrieben und gedreht worden. D.h. zu Beginn der Reihe 1974, damals war Peter Falk als Columbo in Deutschland bereits beliebt, präsentierte man den Mörder bei Derrick, wie auch bei Columbo, bereits am Anfang der Folge. Dieses Konzept war in Deutschland leider nicht so erfolgreich, was dazu führte, ab Folge 25 auf das klassische Krimiformat zurückzuschwenken und den Täter erst am Ende der Folge zu enthüllen. Bis heute sind allerdings die Trenchcoatmäntel sowohl Derrick als auch Columbo erhalten geblieben.

Eine Seite der Digipack-Verpackung ist für die Folgenübersicht reserviert. Hier sind Kurzinformationen zu allen einzelnen Folgen zu finden: Folgennummer, Folgentitel, Datum des Erstausstrahlungstermins und Kurzbeschreibung in max. 2-3 Sätzen.

Der interessierte Derrickfan wird wissen, dass Folge 4 „Mitternachtsbus“ die erste gedrehte Derrickfolge und „Waldweg“, als Folge 1 ausgestrahlt, die zweite Produktionsfolge war.
Die chronologische Reihenfolge ermöglicht nun dem Derrickfan endlich in die Sammlung einzusteigen. Es bleibt zu hoffen, dass noch weitere 18 Staffeln erscheinen werden.

Im Zuge der Langzeitarchivierung darf kritisch angemerkt werden, dass trotz optisch wertiger Aufmachung eine Produktion im Digipack kontraproduktiv zur Haltbarkeit der Bildtonträger steht. Das gilt natürlich für alle Produktionen gleichermaßen. Digipack und Pappschuber bestehen aus Papier und Druckfarbe. Säurebestandteile aus Papier und Farben wandern u.U. über jahrelange Archivierung in den Bildtonträger und können dadurch Beschädigungen verursachen (Zerstörung und Auflösung von Reflexions- und Datenschichten). Die klassische Amaraybox als Plastikbox, bzw. Acrylboxen sind hier sicherlich die besseren Langzeitarchivierungsmedium. (Ich verweise hier auf aktuelle Untersuchungen und Studien in Computer- und Audiozeitschriften.)

Etwas „kindlich“ sind die eitlen und zum Teil unprofessionell aufgemachten „Credits“ im Menübereich. Hier hat jemand beim Authoring seinem Spieltrieb freien Lauf gelassen. Allerdings ist das von der Gesamtbetrachtung der Box her eher unbedeutend zu bewerten.

Wenn schon kein Bonusmaterial (in Form von alten zusätzlichen Originalfilmaufnahmen) erhältlich ist, wäre es schön gewesen, dem Fan einen anderen Einblick in die Derrickwelt zu verschaffen. Man wirbt auf der Hüllenbeschreibung mit dem großen Erfolg der Serie in über 100 Ländern. Es wäre somit interessant gewesen, mehrere Synchronfassungen als Audiospur mitzuliefern oder Filmausschnitte mit Fremdsprachenfassungen anzubieten. So wurde das z.B. bei den Akte-X-Staffeln gelöst. Die DVD’s enthalten leider nur die deutsche Sprachspur. Fehlende Sprachfassungen werden oft mit „lizenzrechtlichen Gründen“ argumentiert, was für eine Kultserie aber nebensächlich sein sollte. Zudem existieren viele Fernsehauftritte der Protagonisten, Setfotos, Drehbücher und Sekundarliteratur. Es könnten dem Derrickfan Filmografien und Biografien zu den jeweiligen Protagonisten sowie ein Derrick-Episodenführer angeboten werden. Daraus könnte man sehr viel gestalten. Schade, dass die Verantwortlichen hier unkreativ sind.

Falsch ist definitiv die Aussage auf dem Pappschuber, dass der Satz „Harry, hol schon mal den Wagen“ in keiner der 281 Folgen jemals benutzt worden sei. Bereits in Folge 2 („Johanna“) sagt Derrick zu Harry: „Harry, wir brauchen den Wagen, sofort!“, in Folge 235 („Eine Endstation“) sagt Derrick zu einem Kollegen: „Holen Sie schon mal den Wagen“! Einen weiteren tollen Kult-Satz sagt Derrick übrigens in Folge 91 („Eine Falle für Derrick“): „Machst Du mal Kaffee, Harry“!

Bei einer Spieldauer von 900 Minuten sind folgende Einzelfolgen in der Box zu finden:
Folge 1 Waldweg (ursprünglich als Folge 2 gedreht), u.a mit Wolfgang Kieling, Karl Lieffen
Folge 2 Johanna, u.a. mit Lilli Palmer
Folge 3 Stiftungsfest, u.a. mit Siegfried Lowitz (Der Alte)
Folge 4 Mitternachtsbus (ursprünglich als Folge 1 gedreht), u.a. mit Werner Kreindl (Soko 5113)
Folge 5 Tod am Bahngleis, u.a. mit Günther Strack (Ein Fall für Zwei)
Folge 6 Nur Aufregung für Rohn, u.a. mit Thomas Fritsch
Folge 7 Madeira, u.a. mit Curd Jürgens (007-Der Spion der mich liebte)
Folge 8 Zeichen der Gewalt, u.a. mit Raimund Harmstorf (Seewolf)
Folge 9 Paddenberg, u.a. mit Peter Pasetti, Heinz Bennet
Folge 10 Hoffmans Höllenfahrt, u.a. mit Klaus Löwitsch, Ingrid Steeger, Judy Winter
Folge 11 Pfandhaus, u.a. mit Klaus Maria Brandauer (Sag niemals Nie)
Folge 12 Ein Koffer aus Salzburg, u.a. mit Jaques Breuer
Folge 13 Kamillas junger Freund, u.a. mit Käte Jaenicke
Folge 14 Der Tag nach dem Mord, u.a. mit Krista Keller
Folge 15 Alam auf Revier 12, u.a. mit Gerd Haucke

Die stärksten Folgen dieser Staffel sind die Folgen 1, 4, 9 und 14, die schwächeren sind die mit den Folgennummern 2, 5 und 6, wobei die Folgen 1, 2 und 14 zudem streckenweise Synchronfehler haben und der Ton dem Bild „hinterherläuft“. Dies ist allerdings kein Fehler der DVD sondern bereits Bestandteil des Films.
Über die komplette Derrickreihe hat sich Drehbuchautor Herbert Reinecker immer wieder mal in komplizierten Themen verloren, was dazu führte, dass eine Folge mit so vielen Handlungssträngen vollgepackt war und die Hauptprotagonisten Derrick und Harry oftmals in den ersten 15-25 Minuten einer Folge gar nicht auftraten. Der schon fast „cameoartige“ Auftritt Derricks, wie z.B. in Folge 5, deplatzierte diese Folgen zu den weniger erfolgreichen der Reihe, wenngleich die moralische und gesellschaftliche Aussage solch einer Folge einen hohen Stellenwert besitzt.

Spaß an den frühen Folgen macht auch der nostalgische und an manchen Stellen schon fast naiv wirkende Touch der Filmreihe. So isst Derrick in Folge 7 z.B. Punschtorte, Berger hieß in Folge 8 noch „Herr Berger“, Harry trinkt in Folge 9 Bier und Whisky. In der gleichen Folge wird Harry von Derrick „Harald“ gerufen. Ab Folge 11 darf Harald dann endgültig Harry sein. Es wird geraucht, geschossen, getrunken und aus Fenstern gesprungen. „Action pur“, die in den späteren Folgen verloren ging.
Für die Goof-Fans gibt es in Folge 13 bei 42 Min. einen Schnittfehler (Kontoauszug Harry). All das macht nichts, es zeigt die nostalgische Zeit des Reihenfernsehens von 1974/1975. Auch hier hätte man sich eine Goof-Liste gewünscht, denn Produktions-, Schnitt-, Synchron- und Kulissenfehler gab es im Laufe von 24 Produktionsjahren viele.
Übrigens, an die Fernseh- und DVD-Macher sei gesagt: Derrick ist keine Fernsehserie, sondern eine Fernsehreihe, also Folgen mit in sich geschlossenen Handlungsbögen.

Lobenswert sei zum Schluss noch zu erwähnen, dass die Fehler der missglückten Einzel-DVD-Veröffentlichungen aus dem Jahr 2004 nicht wiederholt wurden. So sind die damaligen Fehler (fehlende Abspänne, Timecodefehler, Schreibfehler, Kürzungen, nicht chronologische Veröffentlichungspolitik) nicht wiederholt worden. Zudem sind nun 3 anstatt nur 2 Folgen auf einer DVD gemastert, was der Qualität aber keinen Abbruch tut und den Sammelcharakter der Reihe in ein wirtschaftliches Verhältnis rückt. Ein Bild- und Soundremastering ist nicht erkennbar und auch nicht explizit benannt. Trotzdem machen die Einzelfolgen einen frischen Gesamteindruck. Das hohe Alter der ersten Folgen lässt diese technisch besser dastehen als man glauben mag.

Wir wollen hoffen, dass die genannten Verbesserungsvorschläge (z.B. Bonusmaterial, Sprachfassungen, Zusatzinfos als Booklet etc.) Gehör finden werden und die Fans auch endlich in den Genuss der restlichen 266 Folgen kommen. Man kann kaum glauben, dass das ZDF sich so lange Zeit gelassen hat, eines ihrer besten und erfolgreichsten Zugpferde im Stall auf eine solch endlos lange Bank zu schieben. Für die kleinen, fast vernachlässigbaren Mangelerscheinungen der Box und fehlendes Zusatzmaterial gibt es von mir einen Punkt Abzug. Das soll jedoch Ansporn sein, die nächste Staffel zu perfektionieren.

„Mein Name ist Derrick…Ihr Name sagt mir nichts…Das verstehe ich sehr gut, ich bin bei der Kriminalpolizei!“ Zitat eines Derrick-Telefongesprächs aus Folge 239 „Der Schlüssel“.

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